Montag, 11. September 2017

Doch noch Traumatherapie.....

Liebe Leserinnen und Leser,
obwohl ich dachte, ich hätte "es geschafft" und ich bräuchte keine Therapie mehr, musste ich feststellen, dass ich jetzt - fast 12 Jahre nach der Trennung - meine Schatten noch nicht wirklich losgeworden bin. Irgendwie fühlt sich das wie "Schwäche" an, bisschen wie "doch noch verloren zu haben", obwohl ich weiß, dass das Quatsch ist.... Wie habe ich gemerkt, dass da doch noch einiges "aufzuräumen" ist? Ich versuche es mal zu beschreiben.....

Mein trauriger Sohn, der jetzt nicht mehr traurig ist, sondern sehr stark und wie ich glaube, mit sehr viel mehr Selbst-WERT-Gefühl, hat es mir vorgemacht. Wir hatten im letzten Winter viele lange Gespräche über alles was passiert ist und mit welchen Auswirkungen er zu kämpfen hatte: Angstattacken, Panikzustände, das Haus nicht verlassen können, nicht im ÖPV unterwegs sein können, wegzurennen aus Restaurants oder Supermärkten, Vorlesungen nie zu erreichen oder diese in Panik zu verlassen, nächtliche Albträume, extremes Zähne knirschen (3 Backenzähne zerbrochen), nur so als Beispiele... und er hat eine EMDR-Therapie gemacht (eine Therapieform die sehr wirksam sein soll* bei posttraumatischen Belastungsstörungen). Seitdem er diese Therapie genacht hat, hat er sein Leben wirklich in die Hand genommen, er hat das erste Semester komplett geschafft und schon alles für das nächste Semester angemeldet. Er nimmt KEINE Medikamente mehr (ich bin so stolz und glücklich) und plant sein Leben, auch für die weitere Zukunft!
Ich merkte jedoch, dass ich meine tiefe Traurigkeit noch nicht überwunden hatte. Schlimmer noch, ich bekam einen furchtbaren Flashback, in einer eigentlich harmlosen Situation: meine Tochter wollte mir helfen, und hatte meine feine Wäsche in den Trockner gesteckt (ich hatte einen Tag vorher erklärt, dass Wäsche nicht zu lange in der Waschmaschine bleiben sollte, weil die sonst anfängt zu stinken), ich hänge die feine Wäsche immer auf. Ich wurde sofort zurückversetzt in die letzte Phase meiner damaligen Ehe: die Tochter von Wudo hat mit voller Absicht ein neues Teil in den Trockner gesteckt (ich hatte es eine Stunde vorher genau erklärt, dass es NICHT in den Trockner durfte) , und es war eingelaufen und völlig zerstört, sprich untragbar. Damals war ich verzweifelt, und die ganzen Panikgefühle, die Verzweiflung, ja, v.a. die hilflose Wut.... alles war plötzlich da und ich bin total laut geworden, habe gegen die Wäschekörbe getreten und gezetert.... meine Tochter hat sich im Zimmer eingeschlossen, weil sie schwer gefühlsmäßig verletzt war. Danach wollte ich mich am liebsten wieder unter der Bettdecke verstecken, klein im Dunkeln und heulen - so wie ich es in den ersten Monaten nach der Trennung mehrmals täglich getan hatte .... da meine Tochter eine gewisse Sturheit hat, reagierte sie nicht auf mein Klopfen (ich wollte mich entschuldigen und alles erklären), daraufhin habe ich einen Zettel mit der Botschaft "ich hatte einen furchtbaren Flashback, es tut mir Leid" unter der Tür durch geschoben... da machte sie auf und wie haben zusammen geweint (ich habe eine sehr besondere, tapfere Tochter).
Erst da wurde mir bewusst, dass ich doch noch nicht fertig war mit meiner Verarbeitung .... es folgten weitere, leichtere Flashbacks, Albträume und "im-falschen-Film-Gefühle" (Psychologen nennen das glaube ich "dissoziativ". Ich habe dann meinen ganzen Mut zusammengenommen und mich auch für eine Therapie angemeldet. Zunächst wurden viele Diagnostikbögen  ausgefüllt, viele Gespräche geführt. Es zeigte sich, dass ich doch sehr viel Traurigkeit fühlte und mit depressiven Verstimmungen zu kämpfen hatte. Insgesamt kam auch bei mir eine Posttraumatische Belastungsstörung als Fazit dabei raus. Im Nachhinein denke ich, dass das viele Arbeiten, immer zu viel zu tun zu haben um es zu schaffen, mich erst um die Kinder oder die Probleme meines neuen Partners zu kümmern, im Endeffekt nur ein Weglaufen war, vielleicht auch eine (vorübergehende und zunächst sinnvolle) Überlebensstrategie? Viellecht gönnte ich mir auch erst meine Therapie, nachdem es meinem ehemalig traurigen Sohn besser ging? Viellecht bin ich jetzt erst stark genug um mir "das anzutun?" Um so eine Therapie bewältigen zu können? Ich habe einige Monate und viele Sitzungen gebraucht, um Vertrauen zu meiner Therapeutin zu fassen, um Stärke zu gewinnen, bis ich mich jetzt so stark fühle, sogar schon etwas Ungeduld verspüre, um endlich mit dem traumatischten Teil meines Lebens aufzuräumen, dem ins Auge zu sehen und "mein Schwert zu schwingen"... Ich sehe mich da irgendwie mit einer Ritterrüstung auf einem Berggipfel stehen ... Wir werden sehen.... Ich werde wahrscheinlich nach meinen ersten Erfahrungen darüber berichten.... Drückt mir bitte die Daumen :-)

Eure Lisa



*"soll", weil ich hier keine Meinung über diese Therapieform abgeben möchte, über Internet-recherche findet man schnell Informationen, und die EMDR-Therapie wird m.W. von den Krankenkassen übernommen, auch diese Aussage ohne Wertung oder Gewähr

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